1. Hälfte 17. Jhdt., Würzburg (?). Silber mit angehängten Münzen und Medaillen verschiedenen Materials. Länge 35 cm. Höhe ohne Flossen 9,5 cm.
Der Silberne Karpfen ist der Willkommpokal der Fischerzunft. Im Laufe der Jahrhunderte wurde er zum einzigartigen Wahrzeichen der Zunft. Der Fisch ist aus reinem Silber getrieben, die naturalistisch wiedergegebenen Details sind ziseliert, hierbei diente offenbar der der Karpfenfamilie zugehörige Weißfisch (Leuciscus rutilis) zum Vorbild, derjenige Fisch, der noch heute im Main am häufigsten vorkommt.
Der Fischkörper ist hohl, der innen vergoldete Kopf ist am Kiemenbogen abnehmbar. Durch Schwanz- und Rückenflosse sowie Bauch-, Brust- und Afterflossen sind Löcher gestanzt, an denen, mit Häkchen befestigt, Münzen und Medaillen hängen, auch an Maul und Kiemen sind zu diesem Zweck Ösen angebracht.
Dieser ungewöhnliche Schmuck erklärt sich aus folgendem Brauch: jeder Ehrengast, der den abnehmbaren Kopf des Karpfens, gefüllt mit Wein, feierlich zum Trunk überreicht bekommt, bedankt sich hierfür in Form einer Münzspende. Unbekannt ist, ob es sich bei den Stiftern schon immer um Ehrengäste handelte, oder ob die Spenden ursprünglich nicht auch aus zunftinternen Anlässen gestiftet wurden (Meisterfeier, Gedenktage etc.).
Der Silberne Karpfen weist keine Beschau- oder Meisterzeichen auf. Schon im ältesten Zunftinventar, das in der Jahresrechnung von 1653/54 erhalten ist, wird er unter den Zunftschätzen an hervorgehobener Stelle unter der Rubrik "Silberwerkh" aufgeführt: "Ein silberner Karpfen, mit... Reichsthalern ... Ducaten und ... Silberschildt". Die Zahlen sind hierbei nicht eingefügt, der Schreiber wollte sie sicherlich nachtragen, hat dies aber wohl vergessen. Ersichtlich ist, daß es sich schon in diesem Jahr um eine nicht auf den ersten Blick erfassbare Anzahl gehandelt haben wird. Auch im noch früheren Manuale der Zunftrechnung des Jahres 1646 findet sich ein erster Hinweis auf den Silbernen Karpfen und dessen Schmuck: »1 fl. 2 Pfd. 6 Pfg. vor 12 Ringelein von Sielber an den Karpfen dem Goldschmidt zalth.« Ob es sich bei diesen zwölf Silberringen um die ersten Befestigungsringe für den Karpfen handelt, ist ungewiß. Das erste im Protokollbuch erhaltene Inventar, das dem Schriftbild nach zu den ältesten Eintragungen gehört (um 1692), nennt 26 an den Karpfen angehängte Münzen. Ein Nachtrag zu diesem Inventar führt im Jahre 1799, also rund hundert Jahre später, 35 Münzen auf, im Jahre 1808 wird eine weitere Münze an den Karpfen gestiftet, 1822 beträgt deren Zahl 37. Heute schmücken den Silbernen Karpfen ca. 200 Münzen und Medaillen.
Diese Eintragungen belegen, daß die Zeitspanne zwischen den einzelnen Münzspenden recht groß war. Man darf deshalb darauf schließen, daß der Silberne Karpfen nicht erst um 1650, wie zuweilen angenommen, sondern wohl schon mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte früher angefertigt wurde. Die früheste Münze ist ein Würzburger Taler aus dem Jahre 1613, und, obwohl sich die an Willkommpokale angehängten Münzen in der Regel nicht für die Datierung heranziehen lassen, könnte der Silberne Karpfen doch in diesen Jahren entstanden sein.
Ein sowohl wertvoller als auch charakteristischer Willkommpokal war das wichtigste Stück einer wohlhabenden Zunft. Häufig wurden am Willkommpokal Schilde befestigt (vgl. den Humpen der Elbinger Fischerzunft, der sich ebenfalls im Besitz der Fischerzunft Würzburg befindet, s.u.), üblicher Anlaß hierfür war die Meisterpromotion. Auch an Gedenktagen kam es häufig zu Spenden von Schilden, Münzen und Medaillen. Die Willkommpokale, die ausschließlich dem zeremoniellen Trunk dienen, schmücken oftmals zunfttypische Beigaben, wie eine Handwerkerstatuette, ein Zunftattribut oder eine mit der Zunft verbundenen Heiligenfigur. Gestaltgefäße, zu denen auch der Silberne Karpfen zählt, verweisen schon mit ihrer Form auf die jeweilige Tätigkeit der Zunft. Ein dem Silbernen Karpfen verwandtes Beispiel ist der "Silberne Salm" der Basler Fischerzunft, der 1661/62 gefertigt wurde.
Wenngleich der Willkommpokal der Fischerzunft in kunsthandwerklicher Hinsicht nicht zu den großen Werken der zeremoniellen Trinkgefäße des Barock zählt, handelt es sich doch um eines der charakteristischsten und originellsten Beispiele im Bereich der Zünfte.
Die Fischerzunft besaß zwei weitere wertvolle Trinkpokale des 17. Jahrhunderts, die im Jahre 1888 - vermutlich aus Geldmangel - veräußert wurden. Beide wurden über den Kunsthandel von Graf Luxburg angekauft und finden sich heute in den Sammlungen des Graf-Luxburg-Museums in Schloß Aschach. Bei beiden Trinkgefäßen handelt es sich um Nürnberger Goldschmiedearbeiten. Einer der Pokale, ein sogenannter Traubenpokal, ein Werk des Goldschmiedes Caspar Beutmüller des Jüngeren (der 1612 Meister wurde und 1632 starb), ist um 1615 entstanden, der andere ist eine Arbeit des Goldschmiedes Hans Bertolt und läßt sich auf das Jahr 1601 datieren.
Literatur: Mitzka, W., Deutsche Fischervolkskunde, Neumünster 1940, S. 86 und Abb. 60, 62; Altertümer 1954, S. 22 ff. und Abb. 10, 11; Brod, W.M., "Silberner Salm" und "Silberner Karpfen", Die Mainlande, 9. Jg., Nr. 1, Jan. 1958; Freeden, M. H. v., Schloss Aschach, Würzburg 1960; Münzen in Brauch und Aberglauben (Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum Nürnberg), Mainz 1982, S. 128-129; Saal und Sammlungen 1984, Kat. Nr. 1; Seelig, L., Silber für Rat und Zunft als Elemente der städtischen Repräsentation, in: Bürgertum und Kunst in der Neuzeit, hg. von H.-U. Thamer, Köln, Weimar, Wien 2002, S. 231-266; Pechstein, K., Von Trinkgeräten und Trinksitten, in: Das Schatzhaus der deutschen Geschichte, hg. von R. Pörtner, Düsseldorf 1982, S. 385-411.